Bücher des Julis: Durchwachsener Sommer

Wie das so ist mit dem Hamburger Sommer: eher so lala. Nach einem fulminanten Frühling, möchte ich betonen. Dieser Trend entspricht nicht der Wetterlage in ganz Deutschland, wie ich gerade in der FAZ lese: anderswo war es wohl trocken und heiß. 

Nicht, dass ich mich beschweren wollte. Mir ist ein durchwachsener Sommer immer noch lieber als ein brütend heißer. Immerhin kriegt man so noch was auf die Reihe. Aber die paar herrlichen Tage vor zwei Wochen, als ich glaubte, ich könnte den restlichen Sommer auf einem schattigen Balkon verleben, waren trügerisch. 

Andererseits: Den August verbringe ich in Berlin, was in den letzten zwei Tagen – zumindest wettertechnisch – deutlich freundlicher wirkte. Und einen schattigen Westbalkon gibt es hier auch. Angeblich soll es an den „Hundstagen“, der traditionell heißesten Zeit in Europa, also vom 22. Juli bis 22. August, nochmal besonders, nun ja, heiß werden. Wir werden sehen. Vorerst kommt hier die Rückschau auf den durchwachsenen Juli. 

Horst Evers: Der kategorische Imperativ ist keine Stellung beim Sex (2017)


In einem Onlinedatingprofil nannte ich vor ein paar Jahren in der Rubrik „Dinge, ohne die das Leben sinnlos wäre“, neben Kaschmirpullovern und Männerhemden, Bücher. Explizit keine eBooks („Niemals eBook“), sondern „echte Bücher“. 

Und jetzt das: Ich lese fast nur noch eBooks, die ich mir günstig herunterlade, auf einem iPad mini, das seit Jahre nicht mehr upgedatet werden kann und daher als Behelfskindle herhält. Aber was für ein praktisches Vergnügen, alle Bücher darauf lesen zu können. Mit Romanen tue ich mich schwer, aber gerade Sachbücher lesen sich darauf prima. Den Effekt, den ein „richtiges Buch“ auf mich hat – die Schmetterlinge im Bauch beim Kauf, die zärtliche Berührung der ersten Seiten, der Moment, in dem man die erste Kerbe in den Buchrücken bricht, der Geruch und die Emotionen, die er hervorruft – wird ein eBook niemals nachempfinden können. Es gibt auch Bücher, die ich nie als eBook kaufen würde (alles von Shakespeare, Jane Austen und Oscar Wilde, außerdem den neuen Hilary Mantel, auf den ich sehnlichst gewartet habe und den ich mir für den Winter aufspare, und, aus unerfindlichen Gründen, die Memoiren von Diane Keaton und Joan Didion).

In einem Gebrauchtbuchladen in Ottensen habe ich letztens, vermutlich aufgrund von Entzugserscheinungen, ein wenig über die Stränge geschlagen und etwa zehn physische Bücher auf einmal gekauft. Eins davon war das oben abgebildete Anekdotenbuch von Horst Evers. 

Es ist lustig. Sehr lustig. Glucksend-auflachen-lustig. Was Bettgenossen beim Arbeiten stört, aber wer interessiert sich schon für die, wenn man was Lustiges liest? Denn wer abends vor dem Schlafengehen im Bett neben mir arbeitet, ist selbst schuld. Dabei würde ich die Geschichten sogar teilen, sprich: vorlesen. Evers berichtet aus seinem Alltag, natürlich stark fiktionalisiert. Er berichtet von Streitigkeiten mit seiner Frau und Peinlichkeiten, die ihm vor den Augen seiner Tochter widerfahren. Er beschreibt Berlin auf so herrlich ehrliche Art, dass es eine Freude ist. Immer wieder passieren ihm bzw. seinem literarischen Alter Ego die unmöglichsten Dinge, die fast tragisch wären, wenn er sie nicht mit heroischer Tollpatschigkeit und dem Willen zur totalen Karikierung seiner selbst tragen würde. 

David Sedaris: Barrel Fever (1994) 

Ein weiteres Buch eines heiteren Tollpatsches: Das erste Buch des grandiosen amerikanischen Autors David Sedaris. Ich hatte ihn mit Me Talk Pretty One Day entdeckt, ein Buch, das ich 2012 auf Empfehlung meiner Freundin Leslie in der American Library in Paris erstanden hatte. Damals verstand ich vieles noch nicht, über das Sedaris schreibt, bzw. war mein Englisch noch zu schlecht, um sein komisches Genie vollständig zu erfassen. 

Barrel Fever ist eine Mischung aus persönlichen, non-fiktionalen Essays und wahnwitzigen fiktiven Kurzgeschichten. Die titelgebende Geschichte „Barrel Fever“ ist unter der Fiktion eindeutig die beste. Sie erzählt ungemein unterhaltsam das Leben eines schludrigen Alkoholikers namens Adolph, dessen irre Mutter gerade verstorben ist und ihren vier Töchtern und Adolph nichts als Zwietracht hinterlassen hat. Dann wird auch noch sein bester Freund trocken. Wenn ich es so aufschreibe, klingt es weniger lustig – ich schwöre, es war sehr lustig! Sedaris hat einen absurden Humor, pechschwarz und völlig politisch inkorrekt, und dafür liebe ich ihn. Ich habe mir in den letzten Wochen einige Podcasts, die ihn zu Gast hatten, angehört. Er hat eine hohe Fistelstimme, ähnlich wie damals Truman Capote (ein weiterer genialer, schwuler, sehr lustiger amerikanischer Autor), aber lange nicht so unsympathisch. Capote kann ich nicht zuhören, bei Sedaris wünschte ich, er würde nie aufhören, zu reden. 

Kissy 

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