Bücher des Mais: Im Land der Gewohnheiten

Ted Thompson: Land der Gewohnheit (2014)


Irgendwann (in Hamburg) gebraucht gekauft, weil ich den Einband schön fand. Dass man ein Buch nicht danach beurteilen sollte, ist ja hinlänglich bekannt.

Hier handelte es sich im Nachhinein tatsächlich um einen Fehlkauf, denn: Ich mag einfach keine deutschen Übersetzungen englischsprachiger Bücher. Erstens fällt mir darin jeder Rechtschreibfehler auf (z.B. wenn eine Helene auf einmal eine Helen ist), zweitens frage ich mich immer, ob irgendetwas im Original nicht vielleicht doch besser klang. Wobei das mit den Rechtschreibfehlern mir immer mehr wie ein ehemals blinder Fleck vorkommt. Momentan finde ich nämlich ständig welche (auch in englischsprachigen Büchern). Vielleicht sind sie überall und ich habe früher nur weniger darauf geachtet.

Nun aber zum Inhalt von Land der Gewohnheit. Ted Thompson, der Autor, ist ein junger, hübscher, nerdig aussehender Typ aus Connecticut. The Land of Steady Habits, wie der Roman im Original heißt, war 2014 sein Erstlingswerk. Es geht um Anders, einen frühverrenteten ehemaligen Finanzweltheini, der sich nach Jahren des Nebeneinanderherlebens von seiner Frau Helene (oder Helen) getrennt hat. Der Roman beginnt etwa ein Jahr nach der Trennung. Zu diesem Zeitpunkt ist Anders schon nicht mehr überzeugt davon, dass die Trennung die richtige Entscheidung für ihn war. Außerdem ist er pleite.

Das klingt alles ziemlich erbärmlich und so liest es sich auch. Anders ist (mir) null sympathisch und seine Frau scheint zwar eine Art Überfrau zu sein (schön, schlau, charmant), aber so richtig warm wird man (ich) für sie auch nicht. Ich verstehe nicht so recht, warum mich diese Leuten interessieren sollten. Die Schilderung des Kennenlernens von Anders und Helene im College gefällt mir, zugegeben, weil ich solche Schilderungen generell liebe: junge Menschen, die in alten Sweatshirts Pizza von Umzugskartons essen und billiges Bier trinken, die herumfahren und Vorlesungen schwänzen und am Strand Musik hören. Gerne in den 70ern.

Aber danach? Wer möchte denn davon lesen, wie ein Ehepaar sich auseinander lebt – es sei denn, es ist brilliant geschrieben? Vielleicht liegt es an der Übersetzung (alleine, um das nicht mehr sagen zu müssen, sollte ich nur noch Originale lesen), aber ich könnte aus dem Stand noch nicht mal sagen, wie Thompson überhaupt schreibt, so fad ist es. Also, er schreibt nicht direkt schlecht. Es ist nicht wie bei Büchern, die man weglegen muss, weil einem der Autor aus jeder Seite entgegenspringt und schreit: „SCHAU! Wie ich das gemacht habe! Ist das nicht eine tolle sprachliche FINESSE!“. Thompsons schreibt zurückhaltend, lässt die Charaktere in den Vordergrund treten. Aber genau das ist mein Problem: Was soll ich denn da sehen, wo es nichts zu sehen gibt? Keiner der Protagonisten (ach, nicht mal die Nebendarsteller) interessiert mich die Bohne.

Richtung Ende kam eine Schildkröte vor. Die hat in mir was ausgelöst. Ich habe dann sehr viele Videos von Babyschildkröten angeguckt (was ich echt empfehlen kann). Ansonsten war das Buch leider ein lauer Reinfall.

Henry David Thoreau: Walden (Erstausgabe 1854; meine Ausgabe 2004) 


In Zeiten von Social Distancing fand ich es passend, endlich einen der großen amerikanischen Klassiker zu lesen, in dem ein Mann sich an einen Teich – den Walden Pond – auf dem Grundstück Ralph Waldo Emersons zurückzieht, sich mit eigenen Händen ein Haus baut und über zwei Jahre dort abgeschottet von der Welt lebt. Anders als allgemein vermutet hatte er dabei durchaus hin und wieder Kontakt zur Außenwelt (unter anderem wohnte Emerson ja um die Ecke).

Thoreau beobachtet in diesen Jahren die Jahreszeiten, die Natur und die Tierwelt. Er backt sein eigenes Brot, fischt, philosophiert und kritisiert, wie er gerade lustig ist – ohne je Bäcker, Fischer, Philosoph oder Kritiker geworden zu sein. (Oder so ähnlich.) Er gibt Ratschläge zur Lebensführung und Religion. Er vermisst den Teich aufs Genaueste. Er stellt naturwissenschaftliche Theorien auf. Manchmal kommt er ins Schwadronieren, aber meist ist seine Prosa so sanft und elegant, dass sie ruhig selbstvergessen sein darf. Sie fließt so dahin und man wird mitgetragen.

Ganz zu Anfang leitet er das Buch mit einem meiner Lieblingszitate ein:

„I should not talk so much about myself if there were any body else whom I knew as well. Unfortunately, I am confined to this theme by the narrowness of my experience.“ (2) 

Besser kann man es wohl nicht sagen.

Wie passend meine Wahl des Lesestoffes für eine Selbstisolation war, habe ich erst beim Lesen kapiert. Anbei einige weitere Lieblingsstellen.



Rebecca Harrington: I’ll Have What She’s Having. My Adventures in Celebrity Dieting (2015)


Last but not least:
Ein sehr amüsantes kleines Buch – ein leichter Zwischengang sozusagen.

Die Journalistin Harrington hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Diäten der Reichen und (mehr oder weniger) Schönen am eigenen Leib (und an den Leibern ihrer Freunde, die im Verlauf des Experiments immer seltener und wenn, dann nur sehr ungern, zu ihren Dinnerpartys kommen) auszuprobieren. Ihre Beschreibungen der Essgewohnheiten von Greta Garbo, Karl Lagerfeld, Elizabeth Taylor und Gwyneth Paltrow sind auf groteske Art wahnsinnig lustig. Warum sich jemand freiwillig den jeweiligen Diäten unterwirft, ist unbegreiflich, aber solange ich es nicht tun muss, lese ich gerne mit leisem Schauern von den Kochunfällen und Magenverstimmungen anderer Leute.

Ein paar Schlaglichter: Elizabeth Taylor hatte als Motivation zum Abnehmen ein Bild von sich selbst in ihrer Rolle als, so sagte sie, „Miss Lard“ (in etwa „Fräulein Schweineschmalz“), am Kühlschrank hängen. Während der Dolly-Parton-Diät riecht Harringtons Küche wochenlang nach Kohl. Marilyn Monroe trank morgens aufgeschlagene Eier in warmer Milch, Jackie Kennedy dagegen ernährte sich an manchen Tagen von einer einzigen gebackenen Kartoffel. Greta Garbo muss völlig dem Wahnsinn verfallen gewesen sein, als sie empfahl, aus Nüssen, Sellerie, Milch und Brötchenmehl einen Kuchen zu backen. Und Posh Spice, wie könnte es anders sein, isst gerade so viel, wie auf ihre Handfläche passt.


...soviel zu alten Langweilern, Diäten und dem Alleinsein. Ich habe von allem genug.
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Kissy

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