Gemischte Tüte #1

Wann habe ich eigentlich das letzte Mal eine gemischte Tüte gegessen? Da ich mich nicht mehr an den Zeitpunkt erinnern kann, ist es wohl zu lange her. 

Hier kommt eine gemischte Tüte der Dinge, die mich in letzter Zeit beschäftigt haben.

Ballet Beautiful 

Seit drei Wochen mache ich fünf Mal die Woche „Balletübungen“. Nicht Ballet. Nur die „Gymnastik“, die Ballerinas angeblich zu diesen ganz langen, schlanken Muskeln verhelfen. Überraschenderweise meinte der Freund, nach zwei Wochen bereits den Ansatz einer Bauchmuskulatur zu entdecken. 

Ich halte das für Unsinn. Andererseits halte ich mich auch besser, mein Rücken tut seltener weh, meine durch’s Kneten geschundenen Handgelenke (Sehnenscheidenentzündung lässt grüßen) werden nicht belastet und die Übungen sind so elegant, dass sie mich jedes Mal glücklich machen, auch wenn es gerade sehr brennt. Nach sechs Wochen fühle ich mich deutlich gekräftigt, obwohl ich mir die optischen Veränderungen auch einbilden könnte. (Immerhin verstecken die wachsenden Muskeln sich unter einer nicht zu vernachlässigenden Schicht Corona-Speck.)

Meine ersten Erfolge haben mich motiviert, auch Online-Live-Zoom-Workouts einzuschieben; vor allem Pilates und Cardio Barre (Training an der Stange). Wenn es sonst nichts bringt, powert es mich zumindest aus, ich schlafe besser und schütte nebenbei Endorphine aus. 

Grey’s Anatomy 

Ja, da hängt Wäsche im Hintergrund und ja, das ist ein Lippenstiftabdruck an meinem Glas. Und eine Nachricht von Mama in der oberen rechten Ecke. 

Gucke ich, während ich die Balletübungen mache, von denen ich mittlerweile einige auswendig kann. 

Häufig esse ich aber auch Kettle Chips dazu und trinke Limonade. 

Gut ist, dass die Serie mich beim Beinchen-hoch-und-runter nicht zu sehr vom Zählen ablenkt („Zweites Set: 1, 2, 3...“) und auch, dass ich mich selbst so viel sympathischer finde als die Hauptfigur. Eine Freude für mein Ego. Dafür liebe Dr. Cristina Yang für ihre trockenen Sprüche und, meine Güte, ist Dr. McDreamy schön. Findet auch der Arzt meines Vertrauens. Der guckt hin und wieder – freiwillig! – mit und beantwortet großzügig mehr oder weniger medizinische Fragen („Nein, im Krankenhaus darf man keine Uhren und Ohrringe tragen“, „Na klar würdest Du super in OP-Klamotten aussehen“, „So schnell stirbt man daran auch nicht“, etc.). 

Quarantäne! Wie aktuell. 

Die Charaktere sind einigermaßen divers besetzt, was für eine Serie aus den Nuller-Jahren ziemlich beeindruckend ist. Der Sexismus hält sich (meist) in Grenzen oder wird zumindest angesprochen. Die beiden Hauptfiguren Meredith und Cristina dürfen karriereorientiert sein, ohne ihre Weiblichkeit einzubüßen. Für eine Serie, die parallel mit dem abgrundtief misogynen und weltfremden

Und diese Haare. Der Wahnsinn. 


Lieblingsfigur ohne echte Konkurrenz. Denke darüber nach, meine Haare zu färben.

Wenn man meinem Lieblingsarzt glauben darf, sehen Ärztinnen nicht so aus. 
Also, so gut wie nie. Professor Dr. Susanne Herold ist wohl eine glorreiche Ausnahme. Aber die macht ja auch eher in Forschung als in Chirurgie. 

Vegan verliebt 

Ich bin in einem Newsletter von Claire Beermann, ihres Zeichens Style Director beim ZEIT Magazin, voller Entsetzen über eine Partnerbörse für Veganer aufgeklärt worden. Das reine Grauen… als kämen Veganer in der Öffentlichkeit nicht schon unsympathisch genug rüber. Es handelt sich wohl um so eine Art Weltverbesserertum an der Liebesfront – zwei Militante gegen den Rest der Welt. Nennt sich „Gleichklang Partnersuche“ und wirbt mit Sprüchen wie: 

Der Fairness halber sollte ich erwähnen, dass ich die beiden Plakate mit den blödesten Sprüchen rausgesucht habe.

Vielleicht bin ich ja eine heillos zynische Fleischfresserin, aber wer möchte denn mit wahlweise stier oder weinend in die Kamera guckenden Menschen ausgehen, die der Meinung sind, dass sie alles besser machen als der Rest der Welt? 

Nicht, dass ich für sterbende Flüchtlinge oder Meere wäre, im Gegenteil, aber das wären ehrlicherweise auch nicht meine favorisierten Gesprächsthemen für ein erstes Date. Außerdem bin ich entschieden für ein Tempolimit und trotzdem mit einem Mann zusammen, der es ablehnt. Na und? Ich habe nichts gegen Veganer und befürworte politisches Engagement, aber bei der Partnersuche würde ich mir doch etwas weniger Dogma und etwas mehr spontane Sympathie oder sogar, huch, Leidenschaft wünschen. Außerdem, wie Beermann richtig bemerkt, wächst man schließlich an Unterschieden. Mit jemandem zusammen zu sein, der bereits alles genauso sieht wie man selbst, mag Konflikte vermeiden, es verhindert aber auch, dass man seine eigene Blase mal überprüft und sich vielleicht auch unangenehmen Wahrheiten über einen selbst stellt. Und es schärft sicher nicht die Diskursfähigkeit. 

Late Night 

Zu guter Letzt: ein Film mit Emma Thompson. Eigentlich ein Garant für einen guten Abend. 

Wir, also mein McDreamy und ich, haben an einem vergangenen Sonntagabend Late Night geguckt, unter anderem auch mit der Komikerin Mindy Kaling, dem großartigen John Lithgow als Ehemann von Emma und dem merkwürdig gealterten Hugh Dancy. Nisha Ganatra führte Regie und Mindy Kaling spielt nicht nur die zweite Hauptrolle, sondern hat auch das Drehbuch geschrieben. 

Es ist ein sehr weiblicher Film, insofern als er viele Frauen (in Führungspositionen: nicht nur Emma Thompson als langjähriger Talkshow-Host, sondern auch eine weitere mittelalte Frau als allmächtige Programmchefin) darstellt. Diese Frauen haben unterschiedliche Ansichten, Hintergründe und Hautfarben und geraten immer wieder aneinander. Dabei reden sie (fast) nie über Männer. Also schon mal sehr gut, was den Bechdel-Test* angeht. 

Inhaltlich geht es um die Gastgeberin (Thompson) einer sehr erfolgreichen, aber schlecht gealterte amerikanische Late Night Show, die nur weiße, männliche Autoren hat. (Was tatsächlich lange Zeit Alltag in diesem Business war und vermutlich an vielen Stellen noch ist.) Also stellen sie als „Diversity Hire“ eine POC-Frau ein (Kaling), die den Laden so richtig aufmischt, als man sie endlich lässt. So weit, so simpel. 

Emma Thompson ist wahnsinnig zynisch und sieht besser aus denn je, Mindy Kaling ist lustig, die ganzen weißen Typen des Casts sind in Ordnung. Die Klamotten, die Thompson und Kaling tragen, sind eine Wolke. Wir haben mehrfach gelacht, fanden das Ende (Spoiler) zwar etwas Holzhammer-kitschig und übertrieben divers, fühlten uns aber insgesamt ganz gut unterhalten. Der Film hat hier und da eine Länge und einige Elemente wiederholten sich etwas häufig (Kaling wird mehrfach fristlos entlassen; überhaupt werden ständig Leute fristlos entlassen – geht das in Amerika einfach so, ohne triftigen Grund?!). Aber dennoch: gute Sonntagabendunterhaltung. 


Kissy 


*Der Bechdel-Test ist ein erster, grober Gradmesser für eine sexistische, eindimensionale Darstellung von Frauen in Filmen und geht so: Hat der Film mindestens zwei Frauenfiguren? Reden Sie miteinander? Reden sie über etwas anderes als einen Mann/Männer? Bonuspunkte, wenn beiden einen Namen haben – es ist erschreckend, wie viele, auch kontemporäre, Filme nicht mal die erste Frage mit „Ja“ beantworten können. Was mich auf einen anderen Film bringt, der den Test definitiv nicht besteht, den ich aber dennoch vor ein paar Tagen nicht ohne Genuss gesehen habe: „James Bond – der Hauch des Todes“, der erste Bond mit Timothy Dalton. Ich bin mir, ehrlich gesagt, fast sicher, dass kein einziger Bond-Film den Test besteht, was nur eines der vielen Probleme an Bond-Filmen ist. 

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