Bücher des Oktobers: Die Tage sind lang, aber die Jahre sind kurz


War es nicht eben noch März? Wer jetzt kein Haus hat, etc. etc. 
 

Elizabeth George: A Great Deliverance (1989) 


Ich hatte als Teenager mal von meiner englischen Konversationslehrerin ein Buch von Elizabeth George ausgeliehen bekommen (A Suitable Vengeance, glaube ich). Damals war das Englisch für mich noch zu hoch und Krimis haben mich eigentlich noch nie wirklich interessiert. Das ist, ehrlich gesagt, bis heute so. 

Als ich aber letztens nachts nicht schlafen konnte, bin ich zum Bücherregal getapert und habe dort Georges ersten „Inspektor Lynley“-Roman gefunden. Inzwischen ist mein Englisch besser. Und der Fall war immerhin einigermaßen interessant: Eine junge Frau wird auf der elterlichen Farm in Yorkshire mit einer Axt im Schoß neben der kopflosen Leiche ihres Vaters aufgefunden und gesteht den Mord prompt. Klarer Fall eigentlich; aus Gründen, die sich mir nicht hundertprozentig erschlossen haben, werden die örtlichen Behörden von der Scotland Yard Zentrale jedoch durch ein Londoner Ermittler-Team verstärkt. Das dynamische Duo besteht aus dem achten Lord Sowieso, eben Inspektor Lynley, und einem etwas kratzbürstigen, aber sympathischen jungen Sergeant, Barbara Havers. 

Alles in allem ein solider Krimi. Die Ermittler haben verstörende Privatleben, klar, die den Fall verkomplizieren bzw. bereichern (je nach Blickwinkel.) Vielleicht lese ich sogar den zweiten Fall irgendwann. Nächsten Herbst vielleicht. (Eine Tasse Tee und Herbstwetter halte ich für essentiell bei der Lektüre englischer Krimis.)

Colson Whitehead: The Underground Railroad (2016)


Eine packende Geschichte über die historische „Untergrundbahn“, die versklavten Schwarzen in den Südstaaten half, in den Norden zu fliehen. Eine Untergrundorganisation, die viele Leben gerettet und viele gekostet hat. 

Im Roman geht es um die fiktionale Heldin Cora, die ihrem satanischen Besitzer erst wie durch Zufall entflieht und dann später alles gibt, um weiterhin in Freiheit leben zu können. 

Im Laufe des Plots sinnt sie über die eigene Identität fern der einzigen Heimat, die sie je gekannt hat, nach. Sie übt Rache, in Gedanken und in Taten, wägt die Schuld ab, die sie sich auf der Flucht aufgeladen hat, und stellt die ganz großen Fragen der Menschheit: 

Was dürfen wir einander antun? Was macht einen Menschen aus? Gibt es Gott? Und wenn ja, warum dieses Elend? 

Die klugen philosophischen Überlegungen einer hochintelligenten Figur machen das Buch zu mehr als einem reinen Fluchtnarrativ (welches für sich genommen schon spannend wäre). Whitehead missbraucht die Sklaverei zudem nicht als Stilmittel. Wenn er Gewalt beschreibt, dann voller Respekt vor den Figuren, ohne sich effekthaschend in blutigen Details zu ergehen. 

Alles in allem: Ein packender Roman mit viel historischer (und aktueller) Relevanz. Whitehead hat dafür verdientermaßen 2017 den Pulitzerpreis für Fiktion gewonnen. 

Kissy 

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