Gemischte Tüte #2

Willkommen zu einer weiteren bunt gemischte Tüte der Dinge, die mich in den letzten Wochen umgetrieben haben. 

Mad Men 


Ich versuche schon seit Jahren, die amerikanische Serie Mad Men zu mögen. 

Das klingt konterintuitiv, ich weiß. Warum sollte man etwas mögen wollen? Wenn man es nicht mag, kann man es doch einfach sein lassen? 

Es ist so: Die Serienhandlung beginnt in den 60ern in New York. Das heißt: wunderschöne Kostüme, tolle Ausstattung (diese Möbel! Schreibmaschinen, Wählscheiben, Autos, das ganze Programm) und dazu noch ziemlich gute Darsteller und dementsprechend ein ganzer Sack an Preisen (Emmys, Golden Globes, etc.). Alle rauchen in einer Tour und trinken zu allen Tageszeiten harte Alkoholika. Männer fluchen und prahlen und bezaubernde, perfekt geschminkte Münder lächeln dazu. 

Und da wären wir auch schon bei meinem Problem. Die Serienhandlung beginnt in den 60ern. Das heißt: eine Menge Sexismus und Rassismus, eine Prise Anti-Semitismus, und, ach ja, noch mehr Sexismus und Rassismus. In einer Szene sagt zum Beispiel eine Ehefrau: „I am earning my keep.“ Normalerweise heißt „to earn one’s keep“ seinen Lebensunterhalt verdienen. In ihrem Fall heißt es, dass sie sich schön und jung hält, um ihren Mann zu halten, von dem sie zu 100% abhängig ist. Währenddessen betrügt er sie und wird herablassend und fast gewalttätig, als sie sich gut mit einem anderen Mann unterhält. In einer Tour machen Männer – verheiratet und unverheiratet – Frauen anzüglich an oder berühren sie ungefragt. Nichts mit Courtoisie – hier sind Frauen ganz klar Menschen zweiter Klasse, mit denen Mann umspringen kann, wie Mann will. Die eigene Frau soll bitte schön brav im Vorort bei den Kindern bleiben, aber jede Frau in Manhattan ist automatisch Freiwild. 

Der deutsche Trailer für den DVD-Release der ersten Staffel sagt eigentlich alles: Männer. Viele Männer. Weiße Männer. Und zwei weiße Frauen zur Dekoration... dabei spielen die beiden Figuren in der Serie entscheidende Rollen. Aber wer interessierte sich in den 2000ern, als Mad Men zum Hit wurde, schon für weibliche Hauptrollen? Genau: niemand. 

Ich habe nicht den Nerv, darauf zu warten, dass die schlaue, etwas spröde Hauptfigur Peggy ihren Weg von der Sekretärin zur Werbetexterin macht. Ich hatte es fast durch die erste Staffel geschafft, bevor ich erschöpft aufgab. Der letzte Strohhalm, der dem Kamel den Rücken gebrochen hat – wie man im Englischen so schön sagt – bzw. der letzte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte, war eine Szene, in der zwei junge Zwillingsschwestern von einem alten Mann, den ich in anderem Kontext durchaus attraktiv gefunden hätte, dazu genötigt wurden, sich zu küssen. Da bin ich mich kurz übergeben gegangen und habe beschlossen, dass diese Serie keinen Platz in meinem Leben verdient hat. 

Besagter deutscher Trailer der ersten Staffel

Es ist nämlich so: Alltagssexismus, systemischen Rassismus und Antisemitismus gibt es immer noch. Als ich damals Game of Thrones inhaliert habe, konnte ich mit der Frauenfeindlichkeit und der Gewalt gegen Schwächere leben, weil die Serie in einem fiktiven Universum spielt. Niemand herrscht brutal über Westeros – weil es das Land gar nicht gibt. Und die Rosenkriege, auf denen die Handlung von GoT basiert, sind so lange her, dass man mit den Beteiligten weniger Mitgefühl empfindet. Man denkt sich dabei nicht, „wäre ich nur etwas früher geboren, wäre es mir auch so ergangen.“

Was es sehr wohl gab und was auch noch gar nicht so lange her ist, sind die 60er-Jahre; und sie waren schrecklich, wenn man Mad Men glauben darf. Und – und das ist noch schlimmer – in vielen Köpfen sind sie noch lange nicht Geschichte.

Jemand, der seine Gedanken zu Mad Men sehr viel eloquenter als ich ausdrücken konnte, und das schon vor neun Jahren, war der Journalist Daniel Mendelsohn in einem Artikel für den New York Review of Books*.

Er spricht mir aus der Seele: 




Und damit zu Erfreulicherem. 

Instagram Perlen 

Ich habe zwei Instagram-Konten entdeckt, die meine Stimmung regelmäßig verlässlich aufhellen. 


@accidentallywesanderson postet Photos von realen Orten, die aussehen als hätte der Regisseur Wes Anderson sie für einen seiner extrem gestylten Filme arrangiert. 



Ist das nicht wunderschön? Symmetrie und kräftige Farben sind ein Garant für gute Stimmung in meinem Ästhetik-Zentrum. 



Mein zweites aktuelles Lieblingskonto gehört einer britisch-irischen Stilberaterin. 

Sie heißt bürgerlich Kat Farmer – und auf Instagram @doesmybumlook40 (in etwa: „Sieht mein Arsch 40 aus?“). Farmer ist 47 und lebt mit Mann, drei Kindern und einem wuscheligen Hund in Suffolk und Irland. Sie redet in Live Videos sehr offen über ihre Ehe und was sie daran nervt, welchen Sport sie macht um Wiedergutmachung für den Wein zu leisten, den sie sehr gerne trinkt, und sie rasiert auch mal vor laufender Kamera und ungeschminkt ihren Oberlippenbart oder klebt sich künstliche Nägel auf. Sie ist laut und redet sehr schnell und schämt sich nicht dafür, wer und wie sie ist. Sie ist also sehr echt – so wie ich es mag. Alle paar Wochen geht sie auf Instagram live und schnackt mit ihren Fans über Gott und die Welt – und ich lache mich jedes Mal kaputt dabei. 

Und jeden Tag postet sie ein Photo von ihrem Outfit. Manchmal ist sie darauf aufwändig gekleidet, manchmal hat sie auch Jogginghose an. Ich finde, sie sieht fantastisch aus – was aber auch daran liegt, dass sie sich selbst gut leiden kann und das auch ausstrahlt. 

Hauptberuflich hilft sie anderen Frauen, ihren ganz eigenen Stil zu finden, und vor allem Spaß dabei zu haben. Bei all dem geht es vor allem darum, sich wohl zu fühlen in der eigenen Haut. Und das wird bei unterschiedlichen Menschen natürlich auf völlig verschiedene Kleidungsstile hinauslaufen. Beim Shoppen, so rät sie, sollte man methodisch vorgehen (Zu welchen anderen Klamotten würde ich dieses Teil kombinieren? Für welche Gelegenheiten kann ich es tragen?), aber auch nach dem eigenen Bauchgefühl (Wie fühle ich mich in diesem Kleidungsstück?). Wenn man der Meinung ist, dass etwas gut aussieht, sollte man es einfach anziehen – unabhängig davon, ob man mal gehört hat, dass man Blau und Schwarz oder Gold und Silber nicht zusammen trägt oder dass man mit über 40 für lederne Leggings zu alt ist. 

Seit ich diesem Account folge, freue ich mich richtig darüber, dass ich nicht mehr Anfang Zwanzig bin und darauf, älter und noch selbstsicherer zu werden. Und darauf, mit über 40 noch Lederjacken zu tragen. Vielleicht keine Lederleggings... aber andererseits: wer weiß?! 

Da Kat – wie ich – eine eher große Frau ist, habe ich schon eine Menge guter Tipps aufgeschnappt (dass ein Armreif z.B. eine optische Verlängerung für Jackenärmel sein kann, wenn die für Deine Affenarme etwas zu kurz geraten sind; oder dass man Wintermäntel ruhig eine oder zwei Nummern größer kaufen kann, sofern sie nicht „fitted“ sitzen sollen – oder auch in der Männerabteilung danach schauen). 

Zu guter Letzt 

...noch eine Perle aus dem SZ Magazin Newsletter. 




Und damit: noch eine schöne Woche. 
Kissy

* Link zum Artikel: https://www.nybooks.com/articles/2011/02/24/mad-men-account/

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