Gemischte Tüte #4

Verbesserungsvorschläge für die Oscars 

Die Oscar-Verleihung findet dieses Jahr im April anstatt im Februar statt und die New York Times hat angelegentlich einige Personen, die in Hollywood arbeiten, gefragt, wie man die Nacht verbessern – spannender, lustiger machen – könnte. 

Diese Idee der Drehbuchautorin Nell Scovell gefiel mir besonders gut: 

In Miss Universe, if for some reason the winner cannot perform her duties, the first runner-up will take over. So maybe we add a clause that if it turns out one of the producers is a rapist, then they lose [the award] and the runner-up gets to be the best-picture winner for that year.

Sinngemäß findet sie, dass der oder die Zweitplatzierte den Oscar bekommen soll, sollte sich herausstellen, dass der Gewinner ein Vergewaltiger ist. 

(Ich verzichte bei „Gewinner“ und „Vergewaltiger“ bewusst auf das Gendern. Erstens werden Frauen selten für einen Producer- oder Director-Credit nominiert, geschweige denn ausgezeichnet, und zweitens machen sie sich noch seltener einer Vergewaltigung schuldig.) 

Ein weiteres, sehr schönes Zitat stammt vom Autor Peter Mehlman, der den deutschesten amerikanischen Namen trägt, den ich je gehört habe: 

These aren’t glamorous times and yet we keep acting like we’re taking our cues from Norma Desmond.



10 Cloverfield Lane 



An einem verschneiten Samstagabend durfte ich einen Film für den Freund und mich aussuchen. 

Ich bin mittlerweile der Meinung, man sollte in solchen Situationen einfach den erstbesten Film nehmen. Bei uns zu Hause lief es bisher so, dass wir etwa eine halbe Stunde virtuell durch verschiedene Streamingkataloge blätterten, diskutierten und dann meistens einen faulen Kompromiss fanden. 

Inzwischen ist jeden Abend einer von uns „Programmchefin“. (Eigentlich wollten der Freund und ich uns  abwechseln, aber momentan bin es meistens ich – was zum einen meinem Bestimmernaturell entgegenkommt, zum anderen aber vor allem daran liegt, dass der Freund viel zu erschöpft ist, sich über das Programm Gedanken zu machen. Und er, ehrlich gesagt, in letzter Zeit mehr als fragwürdige Programmentscheidungen getroffen hat. Als er das letzte Mal einen Film für einen gemütlichen Abend zu zweit ausgesucht hat, haben wir Die Seelen im Feuer geguckt, einen grausigen deutschen Fernsehfilm über die Hexenverbrennungen in Bamberg im 17. Jahrhundert. I rest my case.) 

Die Programmchefin sucht in maximal fünf Minuten einen Film aus. Sollte sich nach zehn Minuten herausstellen, dass es ein ätzender Scheißfilm ist, bekommt sie dafür nicht die Schuld, aber die andere Person darf ein Veto einlegen. Dann kann neu verhandelt werden (oder man liest halt ein Buch). Jedenfalls alles besser als eine Diskussion, nach der beide ermattet sind und gleichzeitig das Gefühl haben, aus den abertausenden möglichen Filmen nicht den besten ausgesucht zu haben. 

Beim Scrollen durch meine Liste stieß ich an besagtem Abend auf einen Horrorfilm aus dem Jahr 2016, zu dem ich, als er rauskam, gute Kritiken gelesen hatte.  

Inspiration für 10 Cloverfield Lane war der ebenfalls von J. J. Abrams produzierte Film Cloverfield von 2008, der auf Wikipedia als „Katastrophenfilm“ gelistet ist. Bei seinem Nachfolger, der offenbar wenig bis gar nichts mit dem Vorgänger zu tun hat, handelt es sich meiner Einschätzung nach um einen psychologischen Horror-Thriller. 

Ich kann mit den meisten Horrorfilmen nicht viel anfangen. Wenn ich mich gruseln will, lese ich Nachrichten. Ansonsten gucke ich einmal im Jahr die Resident Evil-Filmreihe, weil ich Zombies so schön berechenbar finde. Ab und an habe ich Lust auf einen Tarantino, aber ansonsten schätze ich die plakative, krasse Darstellung von Gewalt und Leid, die viele Horrorfilme ausmacht, nicht. Dem Subgenre „Bodyhorror“, in dem viele eklige Dinge mit Körpern passieren, kann ich so gar nichts abgewinnen; dazu gehört zum Beispiel David Cronenberg Die Fliege von 1986, ein Film, der in einer Episode des von mir sehr geschätzten Filmpodcasts I Saw What You Did besprochen wurde. Ich habe danach Photos gegoogelt und kann es nicht empfehlen. 

Psychologischen Horror dagegen, darauf kann ich mich ab und zu einlassen. Zwar träume ich dann schlecht, aber einmal alle Jubeljahre nehme ich das gern in Kauf, wenn ich dafür gut unterhalten werden. 

10 Cloverfield Lane ist ein sehr guter Unterhaltungsfilm. Er besteht erstaunlicherweise den Bechdel-Test (mein Freund: „Hat der Film den TOEFL-Test bestanden?“), weil zwei Frauen mit Namen sich über etwas anderes als einen Mann unterhalten. Er hat noch dazu eine sehr starke weibliche Hauptrolle, Michelle (Mary Elizabeth Winstead), die ganz allein, und dabei noch clever und erfindungsreich, um ihr Überleben kämpft. Am Anfang des Films hat sie gerade ihren Verlobten verlassen, als sie mit ihrem Auto in einen Unfall gerät und das Bewusstsein verliert. Sie wacht angekettet in einem Kellerverlies auf, wo sie von Howard (John Goodman) darüber aufgeklärt wird, dass er ihr Leben gerettet habe und sie sich nun in einem Untergrundbunker befinde, wo Howard, sein Gehilfe Emmett (John Gallagher Jr.) und Michelle die Apokalypse überleben werden. Es habe ein Angriff stattgefunden, so Howard. Die Welt sei unbewohnbar, die Luft toxisch, alle anderen Menschen tot. 

Zunächst wirkt Howard wie ein verwirrter „Prepper“. Allmählich wird jedoch klar, dass zumindest ein Teil seiner Aussage stimmen muss. Tatsächlich scheint sich draußen etwas abzuspielen, was Michelle zunächst erleichtert stimmt, im Bunker in Sicherheit zu sein. Aber sagt Howard auch die ganze Wahrheit? 

10 Cloverfield Lane fängt an wie ein Film über eine Entführung und entwickelt sich dann zu viel mehr.  Am Ende mussten wir nach einer kurzen Diskussion des Plots schnell die erste Folge der fantastischen Serie Fleabag gucken (die ich dem Freund schon lange gezeigt haben wollte) und einen Sauerteig-Chocolate-Cookie essen, um wieder runter zu kommen. 

(Update: Inzwischen sind wir mitten in der zweiten und letzten Staffel von Fleabag und der Freund ist nach einer Eingewöhnungsphase voll an Bord und kann es kaum erwarten, sie am Wochenende weiter zu gucken.) 


Die Illusion anhaltenden Glücks



New-York-Times-lastiger Beitrag.** Tja, La-di-dah. 

Ich habe heute den Begriff „Arrival Fallacy“ gelernt. Er bezeichnet die Illusion, dass man, sobald man ein Ziel erreicht hat – eine Beförderung, einen Lottogewinn, ein Projekt abgeschlossen, einen Ehevertrag unterschrieben – dauerhaft glücklich ist. 


Ganz im Gegenteil empfinden viele Menschen eine ihnen unerklärliche Leere, manchmal sogar depressive Gefühle nach einem Erfolg. Man freut sich fünf Minuten und danach ist einem elend und man ist verzweifelt, weil man ja eigentlich glücklich sein sollte. Mir ging es nach meinem Abitur so und ich merke auch jetzt, bei kleineren Erfolgen, dass mich zum Beispiel der Abschluss eines Etappenziels meiner Masterarbeit nach einigen Minuten nicht mehr euphorisiert. 


Manchmal macht einen die Hoffnung auf Erfolg, während man noch darauf hinarbeitet, glücklicher als der Erfolg selbst, vor allem, weil wir die Intensität des Glücks, das er mit sich bringen wird, überschätzen. Was lernen wir daraus? Enjoy the ride – anstatt auf Ziele hinzuarbeiten und sich zu erhoffen, dass man dann magischerweise für immer glücklich ist. À la „Wenn ich 10 Kilo abnehme/eine Freundin finde/mehr Geld verdiene, dann bin ich glücklich“... Und dann schuftet man doch auf das nächste Ziel zu, das einen wiederum dauerhaft glücklich machen soll. 


Stattdessen könnten wir (ich) uns mehr darauf fokussieren, in jedem Tag die kleinen Dinge zu finden, die uns glücklich machen, und realistische Pläne machen, wie wir unser Leben schöner und reicher gestalten können. Ziele und Pläne sind gut, so der Psychologe in dem Artikel. Pläne zu haben macht Menschen glücklich, weil es zukunftsorientiert ist. So ist man schon im Hier und Jetzt zufriedener und muss gar nicht auf morgen hoffen. 


Kissy 


PS: Ein kleiner Nachtrag, weil ich diesen Satz eben im Newsletter von Claire Beermann gelesen habe und ihn so schön und richtig fand: 


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* Artikel in der New York Times über die Oscars: 

https://www.nytimes.com/2021/01/27/movies/oscar-ceremony-ideas.html?action=click&campaign_id=51&emc=edit_MBE_p_20210128&instance_id=26488&module=Top+Stories&nl=morning-briefing&pgtype=Homepage&regi_id=90202673&section=backStory&segment_id=50446&te=1&user_id=70c198f504658ea3c78def69ac70c738


** Artikel in der New York Times über „Arrival Fallacy“: 

https://www.nytimes.com/2019/05/28/smarter-living/you-accomplished-something-great-so-now-what.html

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