It Had to be Jew


Erneut sehr verspätet, meine Rezensionen für den letzen Monat... die Masterarbeit, was soll ich sagen. Lesen, lesen, lesen. Schreiben, schreiben, schreiben. 

12. Leandra Medine: Seeking Love, Finding Overalls (2013)


Leandra Medine ist Bloggerin, Influencerin, ehemalige Firmenchefin einer von ihr selbst gegründeten Online-Publikation, die es nicht mehr gibt, Mutter von Zwillingen und Frau eines in meinen Augen irre langweiligen Mannes... und, fast am wichtigsten, eine der total abgefahren angezogenen Frauen, die ich trotzdem noch für „gut“ angezogen halte. (Meistens. Inzwischen. Was sowohl daran liegt, dass sie sich weiterentwickelt hat als auch, das ich meinen modischen Horizont erweitert habe.)  

Sie ist laut, lustig, rasiert sich ungern die Beine und cremt sich die Füße (zu) selten ein. Die beiden letzteren Informationen habe ich auf ihrem Instagramfeed gesammelt, wo sie teilweise sehr ästhetische, teilweise ästhetisch sehr fragwürdige Photos postet.

13. Deborah Feldman: Unorthodox. The Scandalous Rejection of my Hasidic Roots (2012)


Lustig, mir fällt gerade erst auf, dass ich diesen Monat gleich zwei Bücher von gläubigen New Yorker Jüdinnen gelesen habe, die allerdings unterschiedlicher nicht sein könnten. (Und das auch noch, während in Nahost gerade der Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern wieder aufflammt. Oy vey...) 

So sehr Medine Teil der modernen, säkularen New Yorker Fashion Community ist, so nimmt sie doch an den hohen jüdischen Feiertagen teil, hält die koscheren Speisevorschriften ein und besucht vor ihrer Hochzeit mit einem Juden die Mikwe, um sich rituell zu reinigen. 

Feldman kommt allerdings, zugegebenermaßen, aus einer ganz anderen Welt, obwohl sie in derselben Stadt aufwächst. Während Medine in Manhattan mit 17 am schlimmstmöglichen Herzschmerz zu leiden glaubt, hat Feldman in Williamsburg ganz andere Probleme: Sie ist nämlich mit 17 zwangsverheiratet. 

La-di-dah. 

Die Gesichte von Deborah Feldman ist bewegend und mitreißend; ich habe das Buch fast komplett an einem Wochenende verschlungen. Feldman schreibt angenehm schnörkelarm von ihrer Kindheit und Jugend in einer ultraorthodoxen Chassidischen Gemeinde in Williamsburg, in der Frauen ihren Kopf scheren und eine Perücke tragen und ihre Knie bedeckt halten müssen, weil sie sonst an der Sünde schuld sind, die Männer auf sich laden, wenn sie sie ansehen. Männer verdienen Geld oder lesen die Torah, Frauen bekommen möglichst viele Kinder, um den Verlust in der Shoah wieder wett zu machen, und kümmern sich um Haus und Hof. Sie bekommen keine vollständige Schulbildung, weil ihnen die Universität ohnehin verwehrt bleibt. Wenn sie mit 20 nicht verheiratet sind, gelten sie als schwer vermittelbar und „alte Jungfern“. Die Familie weiß alles über einen, selbst ob man in der Hochzeitsnacht erfolgreich Sex hatte, und verbietet einem andererseits das Lesen säkularer Bücher, vor allem auf Englisch, der Sprache des Teufels. Die Chassidim glauben, dass die Shoa eine Strafe Gottes für die Säkularisierung und Anpassung jüdischer Europäer war und versuchen daher alles, um nach den Regeln des Talmud zu leben, sich von allen Andersgläubigen zu distanzieren und somit eine zweite Shoa zu verhindern. 

Deborah Feldman lebte also in einer Sekte. Unter welchem religiösen Deckmantel auch immer: Religiöser Fanatismus ist Gift. Und in New York trinken bis heute Tausende junge Frauen Kool Aid und lassen sich in ihrer Hochzeitsnacht von einem Fremden vergewaltigen, weil das angeblich Gottes Wille ist. 

Ich empfehle das Buch sehr. Es tat manchmal weh, es zu lesen – aber Feldman hat hier ein wichtiges Zeichen dafür gesetzt, dass es nicht unmöglich ist, sich aus den Klauen einer Sekte zu befreien. 

Kissy 

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